Da ich zur Zeit in El Chalten eine Internetverbindung habe, die noch per pedes gemacht wird, wie es scheint, ist Bilder hochladen leider nicht möglich und die vorbereiteten Posts über Bolivien und Bariloche müssen warten. Dafür gibt es heute ganz ohne Foto:
Bariloche, 10 Uhr, Hostelküche. (Konversation mit einem Ami)
"Du willst HEUTE nach El Chalten?"
"Öh, ja. Also naja, die Fahrt soll 27 Stunden dauern, aber ja, den Bus heute Abend will ich nehmen."
"27 Stunden?! Ich denke nicht, dass Du da so einfach hinfahren kannst. Warum hast Du denn nicht ein Flugzeug genommen?"
"Weil ich den Bus nehmen will. Über Land fahren. Das mit den 27 Stunden hat mich allerdings auch geschockt. Ist ja nicht viel weiter als die Strecke Santiago - Puerto Montt, und die hat gerade mal 12 gedauert."
Mein Gegenüber mustert mich, als sei ich völlig hicks und erklärt mir im weltmännerisch-belehrendem Ton: "Hast Du nicht mal geguckt, wie weit das ist? Das ist ganz unten!"
"Ich glaub nicht, dass das so viel weiter ist. Das ist wegen der schlechten Ruta 40."
"Das ist am anderen Fucking Ende der Welt, mann."
Ja, Süßer, es sind ganze 250 Kilometer weiter als die zuvor erwähnte Strecke. Nicht zu schnell reden, nur weil ich frau und blond bin.
Bariloche, 11 Uhr, Touristeninfo. (Konversation in gebrochenem Englisch)
"Muss ich zum Bus-Terminal oder kann ich vielleicht die Billetas für die Fahrt nach El Chalten auch hier im Ort kaufen?"
"Sie wollen HEUTE den Bus nach El Chalten nehmen?!" Die Frau hinter dem Tisch schaut mich erst entgeistert, dann mitleidig an.
"Ja, heute, den um 18 Uhr."
"Da hätten Sie aber schon LANGE vorreservieren müssen!"
"Vorreservieren? Für den Bus nach El Chalten?"
"Ja."
"Hm, also Vorgestern hat man mir am Schalter davon nichts gesagt, nur, dass jeden Tag ein Bus um 18 Uhr geht."
"Und man hat nicht gesagt, dass sie IMMEDIATELY reservieren sollen?"
"Nein. Ich hab gesagt, ich will heute fahren. Die haben gesagt, der Bus fährt jeden Tag, aber momentan ist der Computer kaputt, deshalb konnte ich nicht reservieren."
"Sie können versuchen, morgen zum Büro zu gehen und vorzureservieren…"
Bariloche, 12 Uhr, Bus-Terminal. (Konversation mit 5 englischen und 5 spanischen Wörtern und der Rest auf Chinesisch oder Gebärdensprache)
"Sicher, natürlich können Sie heute fahren, aber nicht um 18 Uhr."
"Wann denn?
"$%&/"E$%O(/§O§$PI%&J)(=?)=/""EE§$"§"!!§%"
"Aha. Ok, hm. Cuando? Hoi?" (Wann? Heute?)
"§$"?=)E&% &E %§"O =)EE$§ %&J?( =?=I(§O$ "O?=?(A (&$E "$O§$( (/=)(!"
(Während sich Teilnehmer anderer Sprachen bei Verständigungsproblemen in der Wortanzahl zu beschränken versuchen, damit das Verstehen einfacher wird, ist es bei Südamerikanern genau andersherum. Sie reden dann ganzganz viel und ganz schnell, weil sie wohl hoffen, dass Du wenigstens ein Wort verstehst.)
"OK. Nueve?" (Neun? Ich schlag Ihr einfach mal ne Uhrzeit vor.)
"No. §$"?=)E&% &E %§"O =)EE$§ %&J?( =?=I(§ mechanical problemas O$ "O?=?(A (&$E "$O§$( (/=)(!"
"Aaaah. Ok. Cuando?"
Sie schaut mich mit dem schon bekannten bemitleidenswerten Blick an, nimmt Zettel und Stift und schreibt 23.45 Uhr auf.
"Hoi?"
"Si."
Ok. Eigentlich war das jetzt ein sehr erfolgreiches Gespräch, vergleiche ich das mit den letzten 20 Gesprächsversuchen mit Spanischsprechern. Mir will zwar nicht in den Kopf, warum ein Bus, der mechanical Problemas hat, dann exakt Fünfdreiviertelstunden später einsatzbereit ist und dann mitten in der Nacht losfährt (und ich somit mitten in der Nacht am Terminal sitze sowie noch mittener in der Nacht in El Chalten ankomme und da vermutlich spontan zelten muss, weil sicher kein Hostel mehr auf hat), aber ich vertraue jetzt mal auf die werte Dame, die sich echt Mühe gegeben hat.
Zurück im Hostel zahle ich die Hälfte des Tagespreises, um noch bis abends abhängen und Internet nutzen zu dürfen.
"Du hast echt ein Ticket nach El Chalten für heute? Mechanical problems, ja?"
Man schaut mich skeptisch an.
Leute, echt. Was soll das denn? Ich REISE, und zwar gerade gern spontan. Und ein Bus ist kaputt, fährt dann aber doch, wasweißichdennhergottnochmal über südamerikanisches Busreparierverhalten!
Bariloche, 22 Uhr, Bus-Terminal.
Im Hostel wollte ich nicht mehr bleiben, die dachten wohl, ich wollte eine Nacht kostenfrei rausschlagen. Und sicher ist sicher, vielleicht repariert sich so ein Bus ja schneller als erwartet und fährt dann einfach mal früher los.
Ich bin nicht die einzige, die wartet. Insgesamt 7 andere Trekker wollen mit, und die sind natürlich alle schon seit halb sechs da. Wussten ja nix von den mechanical problemas, hatten ja alle vorreserviert.
Die nette Dame am Schalter hat dann auch allen angeboten, ihre Sachen einzuschließen, damit sie nochmal ohne Sachen hin- und herlaufen können. Allerdings hat sie nun wohl doch Feierabend gemacht. Der Wachmann behauptet steif und fest, es ginge heute kein Bus mehr. Die 7 bestehen darauf, dass er die Schalterfrau anruft. Um 00 Uhr kommt ein Typ mit Schlüssel, der erklärt, er habe doch gewusst, dass der Bus nicht pünktlich sei. Nur keine Aufregung. Was denn, ICH bin doch ganz ruhig geblieben. Nur die 7 Trecker waren unergründlicherweise ein bisschen aufgeregt.
Ruta 40, 10 Uhr, irgendwo nördlich Perito Moreno (Ort).
Die ersten 10 Stunden von 27 sind geschafft. Das Legendäre der Ruta 40 hat sich vermutlich irgendein Reiseführerverfasser zur Belebung seiner etwas langweiligen Reiseroute ausgedacht. Ich liebe das Abhängen und Gedanken nachhängen und Schreiben bis der Akku leer ist und aus dem Fenster starren, aber: Abwechslungsreich ist anders. Die Ruta 40 ist vor allem: eine sehr, sehr lange, teils schlecht zu befahrene Schotterpiste, auf derem schlechtesten Teilstück man im Bus seinen Tee zu Modern Talking serviert bekommt, nachdem man bereits stundenlang die gleiche argentinische Pampa zu setzen bekommen hat.
Wir haben ein bisschen länger gebraucht, weil der Bus wohl öfter Anschubs braucht oder sowas. Jedenfalls steigen die Fahrer dann immer aus und gucken hinten was und dann fährt er ein bisschen rückwärts und wieder vorwärts und rattert komisch, und es hört sich an, als säße das Rattern genau unter meinem Sitz. Aber was weiß ich schon, vielleicht ist der Bus auch in Ordnung und die Männer wissen nur nicht so genau, was sie tun. Sie haben ja auch die Heizung voll aufgedreht, und wenn alle nur noch am Stöhnen sind schalten sie die Klimaanlage ein - PLUS Heizung. Heiß also von unten, was ich versuche, mit einem Teil meines Schlafsacks abzudichten, kalt von oben, was ich mit dem anderen Schlafsackteil aufzufangen versuche. Vielleicht wissen sie nicht, wo der Aus-Knopf ist. So wenig, wie unser Minibus-Fahrer in Chile, der trotz qualmenden Innenraum und Temperaturanzeige auf rotrot immer weiter aufs Gas drückte, bis der arme Bus verreckte.
Gut zu wissen, dass nicht nur ich keine Ahnung von Autos habe. Unter anderem.
TTT - Tierische Touri-Tipps