Gestern wurde mir beim Einkaufen eine Anti-Aging-Creme in die Hand
gedrückt. Ich war in meinem Lieblingsladen für Kräuter, Öle und Tees,
bei
Kräuter-Kühne.
Die nette Dame gab mir eine besagte Probe mit. Jetzt ist es also
soweit: Nichtmal meine eingebildet-jugendliche Art kann über meinen
Altersfortschritt hinwegtäuschen. ;)
Wie ist das wohl, was denken die Leute über eine Frau
mehr Ende als Mitte Dreißig, die - für alle offensichtlich durch
Wanderrucksack, Zelt und Isomatte - alleine Wanderurlaub macht?
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Natürlich war der Mini nur Fake, den trage ich NICHT zum Wandern! :) |
Das habe ich mich schon einige Male
gefragt, nicht nur im Ausland. Letztes Jahr verbrachte ich meine
alljährliche Kranich-Schau-Tour auf dem Darss. Ich sitze also in einem
Bus auf dem Weg zum Zeltplatz. Niemand redet, man schaut mich
skeptisch an: Dieser große Rucksack für die kleine Frau, was macht sie
denn bloß? Merkwürdige Blicke, ich sehe das Rätseln in den Gesichtern.
Ein
paar Haltestellen weiter steigt ein unrasierter Typ ein mit dreckigen
Klamotten und großem Rucksack. "Oh", ertöhnt eine entzückte Stimme von
einem der vorderen Bänke, "schau mal Inge, ein Wanderer".
Wie bitte?
"Ach, das ist ja schön, dass die jungen Leute heute noch so etwas machen", erwidert Inge. Allgemeines erfreutes Murmeln im Bus.
Hallo?
Halloo? Schaut mal genauer hin: ICH bin hier die Wanderin! ICH habe ein
Zelt dabei und Wanderschuhe an. Der Typ ist ein ungepflegter
Skateboardfahrer! (Die Skateboards gucken oben aus seinem Rucksack
raus.) Der Typ grinst nur und hält sich zurück.
Als ich
das einem Freund erzähle, bekomme ich die Antwort, dass das doch kein
Wunder sei. Alleinreisende Männer würden das Abenteuer und die Natur
suchen, das sei doch bewunderungswürdig. Alleinreisende Frauen hingegen seien in der Regel auf Sinnsuche, hätten immer ein grundsätzliches Problem,
meistens einen Schuss in der Birne und seien allesamt wahnsinnig
anstrengend.
Was soll ich sagen? Das ist so hirnrissig,
diskriminierend, konservativ-spießig und einfach dumm, dass ich gar nicht weiß, wo ich
anfangen soll.
Italien war in der Hinsicht noch direkter, als ich das letzte Mal
zum Wanderurlaub da war. Wandern ist dort keine sehr bekannte
oder beliebte Beschäftigung (entsprechend schlecht sind
Wegeausschilderungen). Frauen, so sie denn nicht Ü50 sind, die ohne
Weibchenkleidchen, gar mit Wanderklamotten herumlaufen, werden - so hatte ich den Eindruck - misstrauisch beäugt. Ich kenne Italiener eigentlich anders:
Sehr aufgeschlossen, spritzig, freundlich, offen. Dass die Menschen in
Ligurien zurückhaltender sind, war mir klar. Aber auch an der Küste
wurde ich häufiger nicht sonderlich freundlich empfangen. Deutlich
missbilligende Blicke waren klare Aufforderungen: Diese Frau sollte sich
anders anziehen, und was macht die hier überhaupt alleine! Der Gipfel war, als
man mir Leitungswasser verweigerte mit dem Hinweis, ich möge doch bitte
schnell weitergehen (und den Fingerzeig auf meine dreckigen
Wanderschuhe).
Hier mögen verschiedene Sachen zusammengekommen sein. Mein
Frau-Sein hat jedoch meiner Ansicht nach die größte Rolle gespielt.
"Frau-Alleine-Wandern-Wanderklamotten": Vier Aspekte, die zusammen
anscheinend anstößig waren. Bei einem Mann wäre die Verwunderung wohl
höchstens beim "Wandern" hängengeblieben.
In Schottland sind die Leute am West Highland Way aufgeschlossener, ich wurde äußerst herzlich aufgenommen (auf dem West
Highland Way ist es wie mit allen begehrten Wanderstrecken: Man begegnet
sich immer wieder und tauscht ein bisschen Smalltalk über den besten
Bärlauch am Wegesrand oder das schlechteste Blasenpflaster aus). Aber
auch hier schien ich Sonderstatus zu haben: Jede/r kante mich schon,
bevor er oder sie mich gesehen hatte: "Oh, that is you!" "How do you
know?" "Well, you are the 'small women with the huge backpack wandering
for herself'." Oh.
Gut, es stimmt ja auch: Alleinreisende Frauen sind selten. Solange man mir nur neugierig und nicht unfreundlich ob meines Sonderstatus entgegentritt und mich nicht in einer andere mir angeblich zugedachte Rolle zwängen will, ist das ja auch gar nicht schlimm.
"Huge" übrigens, weil die meisten West-Highland-Touris nicht
zelten, und wenn sie es tun, lassen sie sich das Gepäck mit dem Auto
bringen. Viele haben also kleinere Rucksäcke dabei, und, nunja, ich BIN
vermutlich kleiner als die meisten Männer.
Was Frauen dazu
sagen? Schwierig. Ich komme seltener mit Frauen ins Gespräch, weil ja
tatsächlich nur wenige alleinreisende Frauen unterwegs sind, und
meistens kommt man mit Alleinreisenden ins Gespräch. Manchmal sehe ich
von Frauen Blicke und habe den Eindruck, dass sie mir verschwörerisch
zublinzeln. Ich kann es nicht genau sagen. Ich werde natürlich viel auch
von meinen Freunden angesprochen. In der Regel bezieht es sich auf das
Alleine-Reisen generell, ohne den Weibchenaspekt. Was da allerdings noch
in den Köpfen stecken mag (wie bei dem oben erwähnten Freund), will ich vielleicht gar nicht wissen.
Es mag also sein, dass es in den meisten Ländern der
Welt kein Problem ist, als Frau alleine zu reisen. Wirkliche
Schwierigkeiten hatte ich bisher noch nie. Das heißt aber nicht, dass
sie Dich nicht für verrückt oder problembehaftet, auf der Sinnsuche oder
midlifecrisisfrustriert halten oder einfach ein bisschen seltsam und
nicht, nunja, konform mit dem, was anscheinend so von Frauen erwartet
wird. Ein bisschen traurig, aber offensichtlich leider wahr. Da fühlt es
sich besonders gut an, wenn einem die schottische Zeltnachbarin um die
60, die sich mit ihrem Mann fast schon häuslich eingerichtet hat, einem
morgens beim Packen einen Tee vorbeibringt und Dir sagt:
"Meine
Liebe, ich sehe, Du hast noch gar nichts Warmes zu Dir genommen. Ich
finde das ganz toll, was Du machst, das habe ich früher auch viele Jahre
lang gemacht: Die Welt entdecken, alleine, weil man viel mehr wahrnimmt
und offener ist, wenn man auf sich gestellt ist; mit fremden Kulturen
und Menschen ins Gespräch kommen, die Natur erfahren, einfach ganz neue
Dinge sehen, unabhängig und frei."
Genau das ist es - nicht mehr und nicht weniger. Ich bin gespannt, wie meine Erfahrungen in Patagonien sein werden.
Liebe Frauen: Es gibt noch viele Einstellungen zu verändern - lasst uns packen! :)