Happy Ending - Ziplining in Schweden *VIDEO*

Heute geht es nach Schweden, zu der Zipline! Genauer: Nach Småland. Zu der Zipline überhaupt! Ganz genau: Zur niegelnagelneuen, frisch eröffneten und deshalb wagemutig von mir erprobten längsten Zipline Europas!

Ich bin null aufgeregt. Höhe meistere ich immer mit links!

John ist verrückt, eindeutig. Er hat ein großartiges Charaktergesicht wie Willem Dafoe, und die Mischung aus leicht angehauchtem Hippie-Ismus, Bhuddismus und dem sorgfältigen schonenden Umgang mit der Natur im Einklang mit seinem Mammutprojekt lässt erahnen: Der war in seinem Leben viel unterwegs.

John kam die Idee, eine eigene Zipline zu bauen, vor 13 Jahren in Thailand. "War sie so gut?" frage ich. "Nein, total furchtbar", sagt er und grinst. Er legt sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit und hat alles selber gebaut.

Genauer kann ich das leider nicht erfahren, denn John ist total beschäftigt, heute ist an der Zipline wahnsinnig viel los. Während der Bauzeit hat sich das Projekt des verrückten Schweden herumgesprochen und jetzt rennen ihm die (bisher noch ausschließlich schwedischen) Kunden die Bude ein.
Kein Wunder: Es ist sehr hübsch hier, sehr schwedisch, John hat sich das "Little Rock Lake"-Gebiet ausgesucht, was teilweise Naturschutzgebiet ist und nur unter strengen Auflagen genutzt werden kann. Aber John ist ein Naturtyp, das merkt man: Alle Schilder, Treppen, die Aufenthaltsterrasse, Tische, Stühle und auch die Türme - einfach ALLES ist hier selbst gezimmert!

Superhübsch: Die selbstgezimmerte Terrasse, Tische, Stühle, und drumherum das Naturschutzgebiet Little Rock Lake.

Wir besprechen kurz die Möglichkeiten: Es gibt eine blau-grüne Route, die ist harmloser und eine schwarze Route.

Worum es hier eigentlich geht?

Beim Ziplining oder auch Seilrutschen "sitzt" man im Klettergurt, der mittels Karabinerhaken an einem Drahtseilsystem angebracht wird. Und dann wird eben nur noch entlanggerutscht, in der Regel zwischen zwei Punkten über einer Schlucht, bei der Little Rock Zipline schwingt man sich so von Turm zu Turm.

Der Mann macht es Euch hier mal vor, ja? Und fühlt sich wohl etwas albern dabei.

Die 5 letzten Abschnitte ergeben die blau-grüne Route, alle 9 zusammen ergeben die schwarze Route, die je nach Gruppengröße (6-12 Leute) eineinhalb bis zwei Stunden dauert!
Ja, die Kids mit 16 und 13 können auch die schwarze Route fahren, wenn sie sich trauen, sagt John.
Ich bin natürlich total scharf auf die Schwarze, die bis zu über 50 Meter hoch ist und ca. 1,5 Kilometer lang, yaaiiiii, ich kriege schon glänzende Augen und Bauchflattern, wenn ich nur daran denke!
Den 7-Jährigen, so wird beraten, kann man vor einen Erwachsenen schnallen. Nach kurzer Beratung trauen sich das alle drei Kids auch zu, wow, wir werden also gemeinsam die schwarze Route fahren!

Der Ablauf ist noch einigermaßen durcheinander, oder die Buchungen, jedenfalls müssen wir erst warten bis zur nächsten schwarzen Gruppe, die sich dann als voll herausstellt und warten dann noch einmal, insgesamt leider ganze 4 Stunden, was anstrengend ist und mir fast das Erlebnis verleiden will, zumal sich das schöne Wetter irgendwann verzieht und ich die Emma, meine DSLR, sicherheitshalber wegpacke. Aber ich habe ja genau für solche Situationen mein iPhone mit Spritzwasserschutz angeschafft und beschließe daher, diese Aktion mal ausschließlich mit Instagram-Bildern und einem iPhone-Video festzuhalten.

Die Wartezeit vertreiben wir uns aber dann doch noch ziemlich hübsch am nahegelegenen, unheimlich schönen See, außerdem können wir uns das Gelände anschauen, schon mal auf den ersten Turm raufklettern und die Aussicht genießen, den Start einer blau-grünen Gruppe verfolgen und beknackte Fotos von uns machen.

Alle Schilder, Treppen, die Aufenthaltsterrasse, Tische und Stühle - einfach ALLES ist hier selbst gezimmert!

Tipp gegen Langeweile: Die Dinger, an denen man dann an den Seilen aufgehängt wird (da links neben meiner Hüfte), sehen fast wie so supergalaktische Laserkanonen aus. Wie Colt Sievers zieh ich meine Waffe und BÄM!... Achung!... Bämbäm!... Ach Kinners... rennt doch die Leute nicht um! ... Die gucken schon so komisch...

Im Gegensatz zur schwarzen Route, die von einem Turm startet, beginnt die blau-grüne Route an einer Plattform mitten im Wald. Während wir durch das Gelände stapfen, um eine andere Gruppe zu beobachten, erklären uns die Guides, dass wegen des Naturschutzgebietes alles entweder per Helikopter oder die letzten Meter per Muskelkraft angeschleppt werden musste, was ich mir kaum vorstellen kann. Eine lange Treppe aus wunderschönem Holz hat John höchstselbst bei Minus 20 Grad im letzten Winter gebaut, um endlich fertig zu werden. Dass das bei den Guides schwer Eindruck macht, ist ihnen deutlich anzumerken.
Mitten im Wald gibt es dann nicht nur Preiselbeeren zu naschen sondern auch eine Hinweistafel auf Wölfe. Beim Bau der Zipline wurden Spuren dieser Tiere gefunden - die Gruppe freut sich. Ich bin total angenehm überrascht, dass es hier auch darum geht, den Gästen die Schönheit und den Wert der schwedischen Natur beizubringen, das ist natürlich nach meinem Geschmack, und vermutlich auch nach dem Geschmack der EU: Laut John wurde die Zipline zu einem Drittel von EU-Geldern finanziert, das dürfte recht hohe Auflagen an Nachhaltigkeit mit sich gebracht haben.

Beim Aussichtsturm spendet man für die Frösche, das Plumsklo ist vermutlich sehr naturisch, leider riecht es und sieht es auch so aus, das gezimmerte Wartedeck und die ebenfalls selbstgezimmerten Holztische und Bänke sind fantastisch, und dann gibt es noch: Die Türme!

Links: Hinweistafel auf Wölfe.
Rechts: Der erste Übungsabschnitt zwischen den hohen Holztürmen. Sieht doch gar nicht so schlimm aus...

Das Wetter lockert wieder auf und endlich sind wir dran. Mittlerweile haben einige Wartenden aufgegeben und wir Fünf haben nur noch Begleitung von einem anderen Pärchen und drei Guides. Die Sonne neigt sich bereits, das Licht über den Wäldern Schwedens wird unheimlich weich und schön, wow, wir rutschen quasi in den Sonnenuntergang hinein.

Sonnenuntergang über Schwedens Wäldern

Nach einer Einweisung starten wir vom ersten Turm, "nur" 20 Meter über dem Boden. Wie immer, wenn ich angeseilt bin, verfleigt meine Höhenangst aus seltsamen Gründen - gottseidank, aber allen ist trotzdem ein kleines bisschen mulmig zumute, aber das muss ja auch so, wo bliebe denn sonst der ganze Spaß.
Wir selber müssen erstmal nichts tun, die Guides sagen uns, wo wir uns hinstellen sollen, haken uns um und achten darauf, dass wir immer und zu jeder Zeit gesichert sind. Und dann geht es los. Einfach loslassen!
Die Landung ist am ersten Turm noch das, was jeden von uns am meisten beschäftigt, denn man darf auf keinen Fall zu doll oder zu früh bremsen, weil man dann eventuell stoppt und in die Mitte des durchhängenden Seils zurückrutscht - wenn man nicht schnell genug ist, ins Seil greift und sich festhält. In dem Fall muss man sich um die eigene Achse drehen und sich mit den Armen am Seil zum Ziel hangeln.

Was mir selbstverständlich genau so passiert.

Immerhin habe ich recht zügig zugelangt und mich festgehalten und bin nicht bis in die Mitte zurückgerutscht. Ich muss mich nur ca. 8 Meter zum nächstne Turm ziehen, was aber schweißtreibend genug ist.
Am Turm angekommen, sehe ich, was uns dahinter erwartet: Gleich einer der höchsten und längsten Abschnitte, über 300 Meter lang, es geht ziemlich krass in die Tiefe - Hammer!

Und jetzt: Springen!

Nach dem Guide traut sich der 13-Jährige. Alle stehen gespannt, dann ist es unheimlich still. Erst wenn jemand losgedüst ist, ist das laute Zurren der Reibung am Drahtseil zu hören, was langsam immer leiser wird und dann wieder - Stille.

Da fliegt sie!

Lässt man die Beine hängen, geht es langsamer voran, nimmt man die Beine hoch, Füße zusammen und zieht die Knie etwas an, wird es schneller.
Ein bisschen mulmig ist mir beim "Loslassen", das wird aber schon nach 5 Metern vom Glücksgefühl übertönt. Die zweite Strecke ist lang genug, um mich zu entspannen und rechts und links zu gucken - unter mir ein See - einfach krass schön!

Ein kleines Honk-Video gibt es hier zum Beweis, dass ich das wirklich gemacht habe. Die Abfahrt ist direkt am zweiten Turm, also da, wo es so steil runter ging und ich doch ein kleines bisschen zögerte:

>>> Video <<<



Die "Pausen", wenn die anderen fahren, sind umso besser zum Genießen der Umgebung über den Wäldern Schwedens. Ich weiß jetzt schon - von mir aus kann die Tour noch 5 Stunden dauern.

Der höchste Abschnitt: 52 Meter über dem Boden

An den Türmen sind jeweils alle Informationen zu Länge der Strecke, Fallhöhe, Bodenmeterhöhe und durchschnittsgeschwindigkeit gegeben.

Die Türme, erfahre ich, haben eine total irre Geschichte hinter sich:
John baute sie in einer Werkstatt mit Freunden. Der Plan war, sie mit einem Helikopter ins Gelände zu transportieren und dort auf die vor Ort gebauten Sockel zu stellen. Doch man schickte ihm versehentlich einen viel kleineren Helikopter als verabredet. Das Dilemma: Der Tank war kleiner, daher blieben mit An- und Abflug gerade einmal 5 (in Worten FÜNF!!) Minuten Zeit für die Verankerung jedes Turmes. Johns Budget war knapp, er zog das also durch, und hatte ich erwähnt, dass John ein bisschen verrückt ist?
Ja, geschwitzt habe er einmal, erzählt er mir, als der Pilot bereits am runterzählen war und der Turm noch nicht verankert war: "'Bei 0 lasse ich ihn fallen und bin weg', hat er gesagt", lacht John.
Sie haben es dann tatsächlich hinbekommen, so wie John eben auch das ganze, total verrückte Projekt "Längste Zipline Europas"durchgezogen hat.
Richtig großartig wird es noch einmal zum Schluss, als wir auf den "Poles" landen, das sind große, offene Plattformen statt der Türme. Weil es langsam dunkler geworden ist und das Licht etwas schwierig, werden meine Fotos leider nichts, aber auf der Karte sind sie eingezeichnet.

Schöne Aussichten

Auf dem letzten Abschnitt seufze ich vor mich hin. Die Tour hat eineinhalb Stunden gedauert, ich würde sofort noch weiter"fliegen", aber irgendwie ist der Kopf auch voll und die Eindrücke müssen verarbeitet werden. Alle sind glücklich, hat es den Anschein, nur strahlende Gesichter um mich herum, auhc die Guides sind Feuer und Flamme,man merkt, dass sie das alle noch nicht so lange machen, alles neu ist und aufregend - umso schöner.

Robin, Patrik, Evelina und John - ein großartiges Team, das Laune macht. (Sehr Ihr die Laserwaffe an Robins Bein?!)

Als ich den letzten Turm runtergekraxelt bin und den Spruch auf der Tafel entdecke, verkneife ich mir das alberne Gekicher und die Frage an John, der unten auf uns wartet, wie er darauf kam. Hier sind schließlich Kinder.

Happy ending!


TTT - TierischeTouriTipps


Ich bin gespannt, was der erste Winter bringen wird, John hat sich nämlich eigentlich vorgenommen, auch im Winter zu öffnen. Ob ich mal die Gelegenheit bekomme, über die verschneiten Wälder Schwedens zu gleiten? Ich werde berichten.


Dieser Beitrag, der ausschließlich mit Instabildern gespickt ist, ist Teil des #IGTravelThursday-Projektes und ich danke Jana, Anita und Mela für das Hosting dieses tollen Projektes.

Disclaimer: Ein riesiges Dankeschön an John, der uns netterweise die Erwachsenenpreise erlassen hat, wir armen Berliner hätten uns das nämlich sonst schwer leisten können. ;)

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