Goethe machte einen großen Fehler, als er auf seiner "Italienischen Reise" das nördliche Piemonte oben rechts liegen ließ.
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Piemonte bedeutet "Am Fuße der Berge" |
Vielleicht mochte er sich nicht auf die Eselspfade begeben, die in dieser straßenlosen Gegend die Dörfer miteinander verband. Vermutlich waren die Menschen ihm hier etwas zu ursprünglich, die ihre Steinhäuser so bauten, dass das Vieh im Stall die gute Stube mitwärmte. Sicher waren ihm hier zu wenige Spuren der Antike vorhanden, Rom Meilen zu weit entfernt. An der ökologischen Vielfalt hätte er jedoch wahre Freude gehabt, was er vermutlich nicht einmal ahnte, und auch die bezaubernde Aussicht auf die Ausläufer der Alpen ist ihm hier, wo noch heute die Zeit ein bisschen langsamer zu schreiten scheint, entgangen.
Das Piemonte ist ein bisschen anders als der Rest Italiens, so empfinde ich das jedenfalls. Hier darf man den ganzen schönen Tag lang Wanderschuhe anhaben,
ohne sich komplett underdressed zu fühlen, wie das in Florenz, Mailand,
Rom oder auch in der Cinque Terre der Fall ist. Die Menschen sind wie das Wetter ein bisschen abgekühlter, was mir etwas
sprödes Nordlicht ein bisschen entgegenkommt. Freundlich sind sie trotzdem. Ich ja auch.
Italienische Klischees, auf die ich im Urlaub nicht verzichten möchte, finde ich dennoch.
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Die Innenstadt von San Giulio am Ortasee |
Wir hatten uns auf ins Piemonte gemacht, um ein paar schöne und eher faule Tage zu
verbringen nach den letzten arbeitsreichen Wochen, auch die kommende
Reise nach Island dürfte nichts für Weicheier sein. Weil ich ganz zufällig
Flüge nach Mailand gewonnen und mich letztes Jahr auf einer
Pressereise unheimlich ins Piemonte verknallt habe, organisierte ich
über meine Kontakte ein kleines Hotel direkt am Ortasee, mitten im Piemonte -
ein Traum.
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Lago d'Orta an den Ausläufen der Alpen |
Der sich allerdings anschickte, ein wässrigerer Traum zu werden, als uns lieb war.
"Wie - in Italien soll's regnen?" Völlig verständnislos guckte ich den
Mann an. "Das kann doch gar nicht sein, wir fahren nach ITALIEN!"
"Macht doch nix", sagte der, "es wird ja nicht die ganze Zeit regnen, und wenn es das tut, können wir wenigstens ohne schlechtes Gewissen im Hotelzimmer gammeln". Er sollte Recht behalten.
Während wir auf Piemonte-Roadtrip machten und stets dem Regen entkamen, schüttete es mittendrin einen Tag aus Kübeln, den wir dann im Hotelbett verschliefen - großartig.
Für einen Kurzurlaub, der das Budget nicht allzu belastet
- jaja, auch wenn man alles selber bezahlen muss - mit Wasser und Bergen und Bella Italia habe ich also einen ziemlich guten Tipp für Euch:
Wie wärs denn mal mit einem kleinen Roadtrip durchs Piemonte?
Interaktive Karte von http://mapbox.com
Zum Zoomen und für Infos klicken!
1. Tag: San Giulio am Lago d'Orta
Der Lago d'Orta ist die kleine und unbekanntere Schwester vom Lago Maggiore, letzterer ist leider mittlerweile im Sommer ziemlich überlaufen und teuer. Am Lago d'Orta gibt es dagegen nur ein Zehntel der Betten, viel kleinere Orte und kaum zugebaute Seeufer. Wir haben den See mit dem Auto einmal umrundet und San Giulio ist für mich tatsächlich der Ort mit dem schönsten Flair gewesen: Kleine Gassen, alte Häuser, Gelaterien.
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Gelato! |
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Was durch muss, muss durch: Die Bewohner San Giulios haben ihre Tür- und Klingelschilder häufig in der Wand versenkt, weil diese die rabiat durchschrammenden Autos nicht überleben würden. |
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Bella Italia |
Außerdem liegt der Ort zu einem Teil auf einer Halbinsel, vor der wiederum die
malerische Isola San Giulio im Wasser liegt - fast schon ein
bisschen zu kitschig klischeehaft und einen weiteren Ausflug wert.
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Isola San Giulio |
Ein Wanderweg führt zu einem Teil am See entlang - das ist nicht selbstverständlich, denn vielerorts sind Seeufer in Italien Privatgelände. Hier finde ich die Mischung aus Authentizität und Touristenbebauung gelungen.
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Morgenstimmung am Ortasee |
Warum so viele alte, wirklich wunderschöne Gebäude leerstehen haben wir nicht ganz herausfinden können und vermuten eine Kombination aus Baufälligkeit und der Zweitwohnungssteuer, die vor einiger Zeit eingeführt wurde und viele Menschen dazu zwingt, ihre Zweitwohnungen aufzugeben.
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Wunderschöne, leider auch viele verlassene alte Gebäude in San Giulio |
Tipp: Eine wirklich grandiosen Ausblick hat man von der
Wallfahrtskirche Madonna del Sasso aus dem 18. Jahrhundert, die schon von unten spektakulär aussieht, steht sie doch auf einem Granitfelsvorsprung hoch über dem See, auf der anderen Uferseite.
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Wunderschöne Aussicht von der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso |
Den neuesten italienischen Hochzeits-Chic gibt es mit etwas Glück gratis dazu.
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Yaii! |
2. Tag: Zauberhafte Steindörfer
Über die süßen
kleinen Dörfer nördlich des Lago d'Orta habe ich schon einmal berichtet. Da sie auf den meisten Karten inklusive google Maps nicht zu finden sind, habe ich sie auf meiner eigenen Karte oben eingezeichnet.
Von Villadossola aus geht es nach Westen oberhalb des Flusses Torrente Ovesca in die Berge, wobei man die letzten Meter in einige Dörfer laufen muss.
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Viganella |
Viganella ist bezaubernd chaotisch,
Bordo ist ein buddhistisches Dorf, das man durch die bunten Fähnchen leicht findet.
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Die Buddistische Stupa chaut ins Tal. Die schöne alte Dorfkirche wird als Versammlungsraum genutzt. |
Bordo musste ich alleine wegen der grandiosen Aussicht noch einmal besuchen, die Reinhold Messner einst mit dem Himalaya verglich.
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Eventuell bekommt man einen Kaffee auf der Terrasse mit traumhaften Ausblick angeboten |
Oberhalb von Bordo liegt
Cheggio, sieht aus wie ein Künstlerdorf und ist von ehemaligen Bordo-Buddhisten errichtet worden. Sollte ich mal das Bedürfnis haben, mich ein paar Monate zu verkrümeln, würde ich hierher kommen. Mich jedenfalls hat die Aussicht und die friedliche Ruhe hier wieder einmal sehr gefesselt.
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Cheggio mit freiem Blick auf die Berge und das Buddhistendorf Bordo |
Tappia, weiter nördlich gelegen, ist von seinen Bewohnern praktisch vollständig restauriert worden, was eine Ausnahme darstellt: Die alten, teils über 300 Jahre alten Steinhäuser mit ihren Steindächern sind schwer zu unterhalten, außerdem ziehen die Jüngeren lieber ins Tal und nehmen die Autofahrten und anstehenden letzten Fußmeter ungerne auf sich. In fast keinem dieser Dörfer ist es möglich, sein Auto vor der Haustür zu parken. Andere Dörfer sind daher zu großen Teilen unbewohnt und die schönen Häuser verfallen.
In Tappia empfielt es sich, ein bisschen Kleingeld für eine spontane Probe eines hauseigenen Weines in der Hand zu haben.
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Tappia ist vollständig von den Bewohnern restauriert |
Unbedingt zu empfehlen ist
Viganella. Das dunkelste Dorf Italiens wird es genannt, denn in einigen Wintermonaten steht die Sonne nicht hoch genug, um das Dorf zu beleuchten. Auf dem Dorfplatz gibt es gratis WiFi, Zeit also für ein Instagram, und hinterher muss man unbedingt sich einmal in dem kleinen Gassengewirr verlaufen, das geht dann ungefähr so:
VIDEO: Quatsch im Dorf
3. Tag: Regen? Kein Problem: Faulenzen!
Auf dem Hotelbett mit den eingekauften Antipasti ein glorreiches 8-Stunden-Picknick veranstalten.
Wenn's langweilig wird, raus und ins nächste Café einen leckeren Cappuccino trinken gehen. Endlich mal wieder sich einen Mittagsschlaf gönnen. Ist ja schließlich Urlaub. Oder mal die neue Regenjacke und das neue Objektiv ausprobieren.
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Details an der Promenadenfassade in San Giulio |
Und sich am Abend an dem Licht erfreuen, was nur Regenwetter hervorbringt.
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Abendstimmung über dem Ortasee |
4. Tag: Milano
Nach der Entspannung muss wieder ein bisschen Action her! Auf gehts ins ca. eineinhalb Stunden entfernte Mailand.
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Mailands schönsten Platz überblickt manam Besten vom Domdach |
Da wir Mailand bereits vorletztes Jahr besucht haben, haben wir uns das
dieses Jahr geschenkt, aber Mailand ist für mich definitiv eine Reise
wert, alleine schon wegen des wunderbaren Mailänder Doms.
5. Tag: Lago Maggiore
Entweder um den schönen See herumfahren und die Aussicht genießen oder sich in einem Ort niederlassen, zum Beispiel in Arona.
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Lago Maggiore - heute ist es ruhig |
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Zentralplatz in Arona am Lago Maggiore |
Nahe des Zentrums, auf einem Hügel gelegen, kann man die knapp 32 Meter hohe
Statue des San Carlo Borromeo besichtigen, die einst größte begehbare Statue der Welt aus dem Jahre 1698, bis die Freiheitsstatue sie auf den zweiten Platz verdammte.
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Groooß! |
Auch heute noch kann sie besichtigt werden, man sollte aber weder klaustrophobisch noch höhenängstlich veranlagt sein. Sehr undeutsch mussten wir uns nicht einmal festzurren, um die steile Leiter mit Überhang hochzuklettern. Ein paar interessante Verbote gibt es dennoch:
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"Es ist absolut verboten die Einrichtungen zu erbrechen" |
Tipp: Weil der Mann eine Autofahrpause brauchte und ich keinen Führerschein habe, haben wir das Auto am großen Uferparkplatz am Corso Repubblica stehen gelassen (
Link zur Karte) und sind mit einer gloriosen Bimmelbahn direkt vom Platz bis zur Statue gefahren. Dafür bekommt man dann wiederum ermäßigten Eintritt auf die Statue, Kosten: 6 Euro für Bimmelbahn und 2,50 für den Eintritt.
Wer jetzt noch ein paar Tage an den Roadtrip dranhängen kann, ist eindeutig zu beneiden. Ich komme jedenfalls wieder, denn Goethe, der Olle, hatte eben doch nicht von allem eine Ahnung.
TTT - TierischeTouriTipps
Reisezeit:
- Der Mai ist zu empfehlen, wenn man es
beschaulicher mag. Die Vor-Saison beginnt Ostern, am 1. Mai ist dann
schlagartig mehr los. In den Bergen ist es allerdings noch kühl, der
Schnee lag dieses Jahr sehr lange.
- Im Juli/August sind hier
etwa doppelt so viele Touristen, hauptsächlich italienische, scheint
mir. Im Herbst dürfte es dann wieder ruhiger werden.
Hinkommen:
- Von Berlin aus kommt man mit dem Billigflieger in knapp eineinhalb Stunden nach Mailand, von dort geht es mit dem Mietwagen in etwa einer Stunde nach San Giulio.
Unterkommen
- San Giulio am Lago d'Orta ist ein wunderbarer Ausgangspunkt, weil man sowohl zum Flughafen, nach Mailand wie rauf in die Berge nicht lange braucht. Außerdem, hey, wohnen am See...!
San Giulio ist außerdem der hübscheste Ort am Ortasee, Omegna im Norden fand ich nicht ganz so fotogen, bin allerdings auch nur durchgefahren. Es gibt zig Bed & Breakfast, einige Hotels und auch einen Campingplatz, zu finden unter http://www.ortasee-info.de.
- Tipp: Wir waren im Hotel Santa Caterina untergebracht. Die Webseite ist leider nicht zu empfehlen, denn vom 90er Jahre plain HTML-Look abgesehen sind die Fotos veraltet. Das Hotel wurde komplett renoviert und ist heute ein hübsches und sauberes Drei-Sterne-Hotel in zentraler aber ruhiger mit manchmal etwas gewöhnungsbedürftigen Interieur, allerdings größtenteils sehr schlicht und schön hell gehalten.
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Zimmer im Hotel Santa Caterina |
Seeblick hatten wir nicht, dafür einen süßen Balkon mit schöner Aussicht und einer entspannten Atmosphäre. Was mich umgehauen hat war das fantastische Frühstück, was ich schon gar nicht im eher frühstücksspartanischen Italien erwartet habe: Verschiedene Brot- und Brötchensorten, Biosäfte vom Feinsten (hmmmm, ich schwärme immer noch vom Birnensaft!), leckersten Käse, bester Schinken, Obst en Masse, Kuchen und Törtchen und das Allerbeste: Antipasti! Jeden Morgen gebratene Zucchini, Aubergine, Pilze, Lachs vom Stück, auf Wunsch vor den Augen zubereitetes Rührei. Alleine wären des Frühstücks wäre ich noch eine Woche länger geblieben.
Die Angestellten sprechen alle etwas bis gut Englisch und sind ausnehmend freundlich und hilfsbereit, die Gäste angenehmerweise durchmischt, ich bin mir in meinen Wanderschuhen einmal nicht blöd vorgekommen.
Für ca. 75-100 Euro pro Doppelzimmer (Preise pendeln je nach Saison, lokalen Feiertagen und Events) ist das Frühstück und WLAN im Aufenthaltsraum inklusive. Barrierefreiheit ist gegeben, zur Tiefgarage führt direkt ein Fahrstuhl. Ob es ein rollstuhlgerechtes Zimmer gibt, müsste allerdings erfragt werden.
Einkaufen/Essen
- Für jedes Budget ist etwas
möglich, wobei wir etwas enttäuscht waren von der unteren Preisklasse in den
Restaurants in San Giulio. Zwei Pizzeria-Tests haben mich nicht gerade vom Hocker
gehauen, offenbar wäre hier die höhere Preisklasse kulinarischer. Nicht
vergessen sollte man, dass das Trinkgeld meist schon in Form eines
"Bestecks" bezahlt wird. Aus einer günstigen Pizza für 6 Euro wird dann
schnell ein 30 Euro-Essen für zwei, wenn man auch noch ein leider sehr
teures Bier bestellt (ca. 5 Euro für 0,4).
- Wer es dennoch lecker haben
möchte: In den Supermarkt gehen und selber kochen! Im "Penny" sind mir
die Augen ausgefallen, weil Oliven und aller Arten von Antipasti
wahnsinnig günstig waren. In dieser Region ist auch etwas dunkleres Brot
schönerweise nicht unbekannt.
Weitere Infos
Disclaimer: Herzlichen Dank an das Hotel Santa Caterina, das den Mann und mich für einige Tage eingeladen hat, um über diese wunderbare Gegend zu berichten. Und bitte: Ändern Sie NIE, NIEMALS etwas an ihrem Frühstück!
Hotel Santa Caterina: Thank you very much for your invitation, and please: NEVER EVER change anything of your gorgeous breakfast offer!