Alle lieben Weimar! Auf den Spuren der Weimarer Klassik.

Postkarte I love Weimar
Alle lieben Weimar

Wann immer ich erzählte, ich fahre nach Weimar, erntete ich sehnsüchtiges Seufzen oder wahlweise ein seliges Lächeln:
"Ach, Weimar, wie schön!"
"Die Anna-Amalia-Bibliothek! Da möchte ich unbedingt mal hin!"
"Du musst auf jeden Fall einen Kaffee im Elephant Haus trinken."
"Oooh, da steht das Wohnhaus von Franz Liszt, wunderschön, musst Du unbedingt besuchen, da hängt dieses tolle Portrait von ihm, ich habe damals davor gestanden und ihn angehimmelt", lächelte meine musikalisch-klavierbegabte Schwester.

Gemälde Franz Liszt
Portrait von Franz Liszt im ehemaligen Wohnhaus - heute Museum

Nicht nur, dass deutsche Städte bei mir seit längerem viel zu kurz gekommen sind, die Einladung von Thüringen Tourismus kam auch noch genau richtig: Nach vier Wochen Umzugs- und Umbaustress zu Hause konnte ich ein entspanntes Kulturwochenende ganz für mich eindeutig gebrauchen. Und letzten Freitag war es endlich soweit.

Das mit der Entspannung hat dann allerdings nicht so ganz geklappt: Wer für Weimar nur zwei Tage Zeit hat, muss entweder auf sehr viele Sehenswürdigkeiten verzichten oder läuft am Tag seine 15 Kilometer, nicht eingerechnet die Stehstunden in einigen der 25 Museen. Weimar hat die größte Museendichte Deutschlands, misst man in Museum pro Einwohner.
Ich habe mich natürlich - gierig wie ich bin - für Letzteres entschieden und brauche jetzt erst einmal Urlaub, harhar. Wer also mehr Zeit mitbringen kann, dem würde ich dringend empfehlen, eher 4 als 3 Tage einzuplanen.

Weimar Altstadtansicht
Weimar Altstadt

Das "klassische Weimar" abzulaufen ist ein guter Einstieg, rühmt die Stadt sich doch mit dieser Zeit um 1800 herum und deren bekanntesten Vertretern Schiller und Goethe.

Goethe- und Schiller-Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater Weimar
Das Goethe- und Schiller-Denkmal steht vor dem Deutschen Nationaltheater. Einige Stücke der beiden wurden hier uraufgeführt, außerdem tagte die Nationalversammlung der Weimarer Republik hier das erste Mal.

Die Aufzeichnungen aus der Zeit meines kulturwissenschaftlichen Studiums habe ich leider nicht mehr gefunden, aber im Kopf geblieben ist mir, dass ich Schiller am Ende meines Seminars furchtbar verklemmt im Denken und Goethe ziemlich anarchisch fand. Vielleicht, ja, ein kleines anarchisches A****loch, so, wie er seine Damen behandelt hat, aber immerhin kein Spießiges.

Parkansicht mit Wohnhaus
Das Gartenhaus an der Ilm veranlasste den anarchisch angehauchten Goethe angeblich beizeiten dazu, splitternackt in die Ilm zu springen.

Total beeindruckt hat mich, dass in Weimar die Museen dezentral möglichst am historischen Ort organisiert sind. Dort zu stehen, wo Goethe geschrieben, wo Schiller gestorben ist, so etwas macht mich ganz ehrfürchtig.
Goethes Gartenhaus, in dem er in früheren Jahren gewohnt hat, ist alleine durch seine Lage einen Besuch wert.

Goethes Gartenhaus, Außen- und Innenansicht
Goethes Gartenhaus - und ich sofort schwer verliebt!

Der im Englischen Stil angelegte Park an der Ilm ist wirklich wunderschön und liegt gleich neben der Altstadt; ich hatte Glück und war im Hotel an der anderen Parkseite untergebracht und bin daher mehrfach durch den Park gelaufen, in den sich auch mal ein Geigenspieler und eine der vielen Kutschen der Stadt verirren. Ja, so ein bisschen ist das Leben hier ein Ponyhof, glaube ich.

Park an der Ilm mit Kutsche
Im Park an der Ilm

Mein Einstieg in die Stadt war fußanstrengend, lehrreich und mit Insidern gespickt, was daran lag, dass mich am ersten Tag Peter vom Rooksack-Blog herumgeführt und mit seinem umfangreichen Wissen vollgestopft hat.

Weimar Altstadt
Straße in der Weimarer Altstadt

Wem Peter nicht zur Verfügung steht, dem sei auf jeden Fall der Stadtrundgang empfohlen, der täglich um 10 Uhr und 14 Uhr vor der Touristen-Information auf dem zentralen Marktplatz startet.

Weimar Marktplatz
Weimarer Marktplatz: Diese Häuser sind nicht mehr original sondern wurden nach dem Krieg noch zu Zeiten der DDR wieder aufgebaut - Weimar war Vorzeigestadt für den Westbesuch

Bedeutende Stellen werden abgelaufen, und vor allem konnte ich meine tausend Fragen stellen (für meine Frageneurose immer besonders wichtig). Ich habe den allerbesten Quasselstrippenguide aller Zeiten abbekommen, so dass mir hinterher erst einmal der Kopf geraucht hat, ich nun aber um einige Gehirnwindungen schlauer bin, die ich jetzt alle gar nicht aufzählen kann, weil dieser Post sonst leider endlos wird.

Wichtig vielleicht an dieser Stelle zu erwähnen: Die letzten Bombardierungen im Februar '45 haben die Stadt schwer getroffen, vieles ist also nicht mehr Original sondern rekonstruiert, wobei anscheinend sehr viel Authentizität rekonstruiert werden konnte, wurde mir mehrfach versichert.
Was für eine Quatschformulierung, Ihr wisst schon, was ich meine.

Insbesondere das (spätere) Wohnhaus Goethes finde ich sehr beeindruckend.

Goethes Wohnhaus Außenansicht
Goethes späteres Wohnhaus

Mir war ja klar, dass Goethe recht umfangreich gebildet war (eine Sache, die ich im Studium sehr bewundert habe), aber dass er auch architektonisch genial war, wusste ich nicht. Das ist besonders gut in seinem Wohnhaus zu sehen, das er komplett umgebaut hat.

Goethes Wohnhaus, Innenansicht
Zu prunkvoll und groß für mich, aber mit viel wunderschönem Holz (die Treppe!) und Interieur

Einziges Manko an dem Museum: Die Angestellten sind fantastisch unfreundlich. Das ist umso erstaunlicher, da ich in sämtlichen anderen Museen die Weimarer als geradezu überschwenglich freundlich erlebt habe. Super nett, hilfsbereit, egal, wen ich wegen irgendwas angesprochen habe.

Schillers Wohnhaus ist, nach Aussagen der Museumsangestellten, ebenfalls sehr originalgetreu rekonstruiert worden.

Schillers Wohnhaus, Außenansicht
Schillers Wohnhaus, heute und damals.

Man beachte die Liebe der Schillers zu extravaganten Tapeten, die zu der Zeit "très chic" waren.

Schillers Wohnhaus, Innenansicht
Tapeten!

In diesem Haus hat Schiller nur drei Jahre seines relativ kurzen Lebens gewohnt, hier schrieb er den Wilhelm Tell und hier starb er im Jahr 1805. Mit seinem Tod endet das Zeitalter der Weimarer Klassik, denn auch Goethes produktivste Zeiten waren jetzt vorbei.

Schillers Wohnhaus, Schreibstube
Schillers Schreib- und Schlafzimmer

Die Quellen sind sich übrigens uneinig, ob Schiller nun schuldenfrei oder verschuldet starb, ich habe mehrere Varianten gefunden. Wer mich aufklären kann, bitte gern!

Das Geheimnis um seine sterblichen Überreste wären einen eigenen Post wert, daher nur kurz:

Schiller-Schädel-Biografie: #hierbittesonenschickeninfokastenhindenken

Tsetse, das muss ja ne ganz schöne Chaoshippietruppe gewesen sein damals, immerhin war das einer der bedeutsamsten Menschen Deutschlands schon zu Lebzeiten. Wie kann man da jemandes Gebeine verlieren?

Alle Orte, die hier eben erwähnt wurden, lege ich übrigens dringend ans Herz:

Das Grab auf dem Jakobsfriedhof mit dem Grabstein existiert noch, gleicht aber eher einer nicht aufgeräumten Besenkammer. Ein Besuch lohnt hier aber wegen des Glockenturms, den man für einen Euro besichtigen kann. Von dort oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt.

Stadtansicht aus dem Glockenturm vom Jakobsfriedhof

Die Fürstengruft selbst habe ich nicht genauer in Augenschein nehmen können, der neue und daran anschließende alte historische Friedhof ist aber schon aufgrund der vielen interessanten Gräber, einer großartigen russisch-orthodoxen Kapelle mit einer sehr spannenden Geschichte (einfach reingehen und den Aufseher mit Fragen löchern, bis der nicht anders kann als zu erzählen!) und den Ehrendenkmälern für die Opfer des Faschismus und die Märzgefallenen sehr sehenswert.

Die Anna Amalia Bibliothek!

Anna Amalia Bibliothek: Du meine Güte, haben die damals fette Dissertationen geschrieben!

Ja, das Ausrufezeichen gehört dahin, denn der Rokokosaal, für den man sich übrigens vorher anmelden muss, ist einfach fantastisch und ein Highlight meines Besuches in Weimar.

Der Rokokosaal der Anna Amalia Bibliothek - traumhaft
und fantastisch, was die Restauratoren hier nach dem Brand 2004 geleistet haben.

Sehr empfehlen möchte ich im Nebenraum der Bibliothek den Film über den Brand im Jahr 2004 und die Restaurierung der Bibliothek und vieler tausenden Bücher. Was hier geleistet wurde und wird, ist ein Wunderwerk und ich wollte sofort zur Restauratorin umschulen. Was hier mit alten und neuen Techniken gemacht wird... ach, schaut es Euch eben mal an, es ist einfach unglaublich.


Dort kann man außerdem noch einige possierliche Besitztümchen der Anna Amalia ansehen.

Nicht klären konnte ich, was es mit den hässlichen Putten auf sich hatte, dafür habe ich noch ein paar andere, ganz und gar nicht klassische Seiten entdeckt, zum Beispiel wunderschöne Street-Art von Herakut, dass Weimar sehr bunt und studentisch ist, die Bauhaus-Schüler wieder zurückgekommen sind, was eine andere Geschichte ist, aber es scheint fast so: Alle lieben Weimar.

Weimar Altstadt bei Sonnenuntergang
Weimarer Altstadt am Abend


TTT - TierischeTouriTipps

Einführung in das klassische Weimar:
Außerdem:
Barrierefreiheit
Kosten:
#notonlygoethe


Disclaimer: Ich wurde von Thüringen-Tourismus zu meinem Weimar-Besuch eingeladen. Ganz herzlichen Dank dafür, obwohl ich nun Plattfüße habe und das Gefühl, immer noch die Hälfte verpasst zu haben. Ich komme bestimmt wieder. :)

Labels: , , ,